Validierung von Produktionsanlagen für Medizinprodukte – Leistungsqualifizierung / Performance Qualification (PQ)
Validierung von Produktionsanlagen für Medizinprodukte – Leistungsqualifizierung / Performance Qualification (PQ)

In dem Blogartikel zum Thema „Qualifizierung von Produktionsanlagen für Medizinprodukte – die Funktionsqualifizierung / Operational Qualification (OQ) vom 19.04.2023 wurde die erste Phase der Validierung, die Funktionsqualifizierung / Operational Qualification (OQ) im Detail erläutert. In diesem Artikel wird die zweite Phase, die Leistungsqualifizierung / Performance Qualification (PQ) und ihr Nutzen für den Medizinproduktehersteller erklärt. 

Was ist das Ziel der PQ? 

Innerhalb des OQs wurde Prozessverständnis entwickelt, Risiken detektiert und gegebenenfalls Maßnahmen definiert. Im PQ besteht der Fokus darin, den Prozess und seine Langzeitstabilität unter nominalen Bedingungen zu untersuchen und den dokumentierten Nachweis zu erbringen, dass alle spezifischen Anforderungen erfüllt werden. Diese nominalen Prozessbedingungen sollten auf Grundlage der dokumentierten Parameterstudie erfolgen und alle routinemäßigen Einflussfaktoren berücksichtigen. Innerhalb der Validierung werden verschiedene Chargen durch den Fertigungsprozess hergestellt und gegen die definierten Anforderungen geprüft. 

Wie viele Chargen müssen in einer PQ gefertigt werden? 

Ähnlich der Wahl der Stichprobengröße der OQ, gibt es keine genau definierte Vorgabe für die Anzahl der Chargen. Der GMP gibt folgenden Empfehlung: „Es gilt allgemein als akzeptabel, dass mindestens drei aufeinanderfolgende, unter Routinebedingungen hergestellte Chargen eine Validierung eines Prozesses darstellen können.“ (GMP, Anhang 15, Kapitel 5.20). Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine Empfehlung, je nach Komplexität, Risiko und Automatisierungsgrad des zu validierenden Prozesses kann die Anzahl der Chargen reduziert oder erhöht werden. Dies ist bei Erstellung des PQ-Prüfplans zu bewerten und festzulegen. Um die Routinebedingungen während der PQ widerzuspiegeln, sollten Faktoren wie beispielsweise wechselnde Mitarbeiter, verschiedene Materialien, Wartung und Reinigung der Produktionsanlage mitberücksichtigt werden. Hierdurch soll ein möglicher Einfluss auf den Prozess durch diese Faktoren sichtbar gemacht werden. 

Wie erfolgt die Auswertung der PQ? 

Nachdem die Chargen gemäß PQ-Prüfplan gefertigt wurden, gilt es diese auszuwerten. Das Berechnen statistischer Größen ist dabei nicht verpflichtend, stellt jedoch, falls anwendbar, die „Best Practice“ der Auswertung dar. Dabei können wie auch schon in der OQ die Richtigkeit, die Wiederholpräzision und die Prozessfähigkeit herangezogen werden. Zusätzlich kommen für die PQ die Vergleichspräzision und die Stabilität dazu. Diese Punkte werden im Folgenden weiter beschrieben. 

Welche Aussage kann durch die einzelnen statistischen Größen getroffen werden?  

Zur Veranschaulichung dient die folgende Abbildung. Als Beispiel wird die Auswertung zum Nachweis eines validen Längenmaßes beschrieben.

      • Richtigkeit: Diese zeigt, ob das Ergebnis aus dem Prozess dem Sollwert entspricht. Hierfür kann eine Berechnung der Differenz von Soll- und Istwerten sowie ein Test auf Normalverteilung erfolgen. In dem Beispiel wäre es der Vergleich vom Mittelwert aller gemessenen Längen zum Sollwert. Zusätzlich kann ein Test auf Normalverteilung nachweisen, dass die Gesamtheit aller Teile statistisch gemäß der skizzierte Glockenkurve wie in der Stichprobe verteilt sind. 

        • Wiederholpräzision: Diese spiegelt die Streuung unter gleichbleibleibenden Bedingungen wider. In dem Beispiel kann hierfür die Standardabweichung der gemessenen Längen aus einer Charge berechnet werden, die angibt, wie weit die Einzelwerte um dem Mittelwert streuen. 

        • Vergleichspräzision: Diese spiegelt den Vergleich bei Produktion unter unterschiedlichen Bedingungen wie Mitarbeitern, Chargen, Umgebungsbedingungen etc. wider. In dem Beispiel könnten die Mittelwerte aus drei hergestellten Chargen verglichen werden. Je nach Anforderung und Komplexität können Unterschiede bzw. Gleichheiten grafisch oder durch statistische Methoden (ANOVA, T-Test etc.) bewiesen werden.  

          • Fähigkeit: Dies ist das Maß für die Einhaltung der Prozessgrenzen und gibt an, wie viele Produkte, statistisch gesehen, in Zukunft fehlerhaft sein werden. Die Anforderungen an die Fähigkeit sollte ausgehend vom Produktrisiko gewählt werden. Die Gesamtprozessfähigkeit lässt sich u.a. durch den Pp- oder Ppk-Wert berechnen. In dem Beispiel könnte man anhand der Rohdaten zur Länge sowie den Anforderungsgrenzen bestimmen, dass statistisch gesehen ca. 66 Teile aus einer Million außerhalb der Anforderungsgrenzen liegen. 

          • Stabilität: Diese ist das Maß für das langzeitige beherrschen des Prozesses. Um eine längere Fertigungszeitspanne unter Routinebedingungen zu simulieren und so die Dauer der PQ zu verkürzen, sollten qualitätsrelevante Routinearbeiten wie z. B. Reinigung, Wartung, etc. mit in den PQ-Prüfplan aufgenommen werden. Anhand von grafischen Visualisierungen kann in dem Beispiel gezeigt werden, dass alle gemessenen Längen ohne Signifikate Trends oder Auffälligkeiten über die Zeit innerhalb der Anforderungen liegen.  

        Was folgt nach Freigabe der PQ? 

        Mit Freigabe des PQ-Prüfberichtes gilt der Prozess als validiert. Die DIN EN ISO 13485 fordert vom Medizinproduktehersteller folgendes: „Die Validierung muss die Fähigkeit dieser Prozesse zur beständigen Erreichung der geplanten Ergebnisse darlegen.“ (ISO 13485, Kapitel 7.5.6). Dafür kann eine kontinuierliche Prozessüberwachung oder eine regelmäßige Revalidierung des Prozesses durchgeführt werden. Die Zeitspanne hierfür wird optimalerweise im Validierungsmasterplan definiert. Welche Form für das beständige Nachweisen des beherrschen des Prozesses genutzt wird steht dabei frei, sollte jedoch hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und möglicher Risiken bewertet und dokumentiert werden. 

        Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie Fragen zu einzelnen Themen der Leistungsqualifizierung haben oder eine Einschätzung der Auditsicherheit Ihrer Validierungsdokumentation benötigen. 

        Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

        Verfasser dieses Blogartikels ist Philipp Köditz (Team Medizinproduktesicherheit). 

         

        Quellen: 

        DIN EN ISO 13485 

        DIN EN ISO 16269-6 

        EU-GMP-Leitfaden, Anhang 15 

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