Im Rahmen der London Declaration im Jahre 2021 beschloss die Internationale Organisation für Normung (ISO), Klimawandel mehr Gewicht zu geben und Anforderungen dazu in über 30 Management Systems Standards zu integrieren. Dazu gehören etwa die ISO 9001, ISO 14001 und ISO 45001. Ziel ist es, Organisationen dazu anzuhalten, die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Geschäftstätigkeit zu berücksichtigen.
In diesem Blogartikel fokussieren wir uns auf die ISO 9001 und zeigen, wie die neuen Anforderungen zum Klimawandel in bestehende Qualitätsmanagementsysteme (QMS) integriert werden können – damit Sie nicht nur gut für kommende Audits vorbereitet sind, sondern auch Ihr Unternehmen weiter bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels ausrichten.
Mit dem aktuellen Amendment der ISO 9001:2015/Amd 1:2024 wurden zwei neue Anforderungen eingeführt:
- Abschnitt 4.1: Bewertung, ob der Klimawandel ein relevantes Thema für die Organisation ist.
- Abschnitt 4.2: Berücksichtigung möglicher Anforderungen interessierter Parteien zum Klimawandel.
Wie diese Anforderungen sinnvoll in bestehende Strukturen eingebettet und im Auditprozess berücksichtigt werden können, zeigen wir anhand praxisnaher Ansätze.
Klimawandel im Kontext von ISO 9001
Das Amendment verpflichtet Unternehmen zu bestimmen, ob der Klimawandel ein relevantes Thema für ihr QMS ist. Relevante Themen sind solche, die sich auf den Zweck und die strategische Ausrichtung des Unternehmens auswirken und die Fähigkeit beeinflussen, die beabsichtigten Ergebnisse des QMS zu erreichen. Dazu gehören die Fähigkeit, Produkte und Dienstleistungen konsistent bereitzustellen, die Kundenanforderungen und geltende Gesetze zu erfüllen, sowie die Steigerung der Kundenzufriedenheit durch effektive Anwendung des Systems sicherzustellen.
Die Relevanz dieser Themen variiert je nach Größe und Sektor des Unternehmens, den angebotenen Produkten und Dienstleistungen, der Position in der Lieferkette, der geografischen Lage und dem Umfang des QMS. Es ist durchaus möglich, dass Unternehmen bereits Aspekte des Klimawandels im Rahmen ihres QMS berücksichtigen, beispielsweise durch die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen oder die Reduzierung des Energieverbrauchs.
Die Relevanz ist in diesem Fall ein wichtiger Faktor, denn das Amendment verpflichtet nicht direkt zu Klimaschutzmaßnahmen. Sondern es soll viel mehr bewertet werden, ob diese für die Erreichung der QMS-Ziele relevant sind.
Neues Amendment selbst umsetzen: Integration in das bestehende QM-System
Auch wenn die neuen Anforderungen zum Klimawandel auf den ersten Blick nur die Kapitel 4.1 und 4.2 der ISO 9001 betreffen, haben sie weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Qualitätsmanagementsystem (QMS). Denn der Kontext der Organisation bildet die Grundlage für alle weiteren Elemente des QMS – von der Planung über die Umsetzung bis zur Bewertung.
Daher ist es notwendig, die Auswirkungen des Klimawandels an mehreren Stellen systematisch zu berücksichtigen und das QMS entsprechend weiterzuentwickeln. Grundlage für alle weiteren Schritte ist die Bewertung der Relevanz des Klimawandels für das Unternehmen.
1. Bewertung der Relevanz des Klimawandels
Zu Beginn sollte eine strukturierte Analyse durchgeführt werden, um zu bewerten, ob und in welchem Ausmaß der Klimawandel ein relevantes Thema für das Unternehmen darstellt. Berücksichtigt werden sollten dabei z. B.:
- Standort und Infrastruktur
- Branche und Tätigkeitsfeld
- Abhängigkeit von Lieferketten
- gesetzliche, behördliche oder kundenseitige Anforderungen
Diese Bewertung sollte nachvollziehbar dokumentiert werden.
Nutzen Sie dafür unsere Vorlage, welche Sie hier herunterladen können.
2. Berücksichtigung der interessierten Parteien
Ergänzen Sie die bestehende Stakeholderanalyse um klimabezogene Anforderungen. Dabei sind insbesondere neue Kundenanforderungen zu berücksichtigen, da sie direkten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und die Integrität des QMS haben können. Aber beispielsweise auch Mitarbeiter, Vermieter oder die Öffentlichkeit können Erwartungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz haben.
3. Anpassung der QMS-Dokumentation
Je nach Ergebnis der Relevanzbewertung kann eine Aktualisierung verschiedener QMS-Dokumente erforderlich sein. Mindestens sollten folgende Punkte überprüft bzw. ergänzt werden:
- Dokumentation der Relevanzbewertung
- Erweiterte Stakeholderliste (inkl. klimabezogener Anforderungen)
- Managementbewertung (Ergänzung um Klimarelevanz)
- Lieferantenbewertung, sofern relevante Anforderungen bestehen
- Risiken- und Chancenanalyse, z. B. durch eine aktualisierte SWOT-Analyse
- Änderungsmanagement: Dokumentation möglicher Anpassungsmaßnahmen
- Rechtliche Anforderungen: Prüfung neuer relevanter gesetzlicher Vorgaben und Richtlinien
- Auditprogramm und Auditfragenkatalog (siehe weiterer Blogartikel)
- Schulungspläne, Arbeitsanweisungen und ggf. weitere Verfahrensdokumente etc.
4. Leistungsauswertung und kontinuierliche Verbesserung
Wenn klimabezogene Themen als relevant eingestuft wurden, sollten diese auch in der Leistungsauswertung berücksichtigt werden – z. B. durch geeignete Kennzahlen. Daraus können Maßnahmen zur Verbesserung abgeleitet werden.
Bei vorhandenen Klimazielen kann eine Verknüpfung mit bestehenden Qualitätszielen sinnvoll sein. Die Auswertung kann dann integriert erfolgen.
Außerdem interessant: Schnittstelle zu CSRD Anforderungen
Die EU-Kommission hat mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) neue Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf den Weg gebracht. Diese lassen sich gut mit denen des ISO 9001 Amendment verbinden, da sie gemeinsame Schnittstellen haben, insbesondere in der Berücksichtigung von Klimawandelaspekten in Unternehmensprozessen.
Die CSRD verpflichtet bestimmte Unternehmen, ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft gemäß dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit zu analysieren und zu berichten. Das ISO 9001 Amendment wiederum fordert Organisationen dazu auf, zu prüfen, ob der Klimawandel für ihr Qualitätsmanagementsystem relevant ist. Beide Regelwerke zielen darauf ab, Klimarisiken und -chancen systematisch in Unternehmensstrategien und -prozesse zu integrieren, was vorwiegend für Audits und Berichtspflichten eine Rolle spielt. Unternehmen, die sich bereits mit den CSRD-Anforderungen auseinandersetzen, können diese Erkenntnisse nutzen, um das ISO 9001 Amendment effizient umzusetzen.
Auch über ISO 9001 hinaus ergeben sich wichtige Schnittstellen – hauptsächlich zur ISO 14001 für Umweltmanagementsysteme, deren Inhalte eng mit den Berichtspflichten der CSRD verknüpft sind.
Fazit
Die neuen Anforderungen der ISO 9001 zum Klimawandel zeigen deutlich: Qualitätsmanagement muss sich weiterentwickeln – nicht nur in Richtung Effizienz und Kundenorientierung, sondern auch mit Blick auf externe Einflussfaktoren wie den Klimawandel. Und auch wenn die neue Ergänzung auf den ersten Blick überschaubar wirkt, kann sie in der Praxis weitreichende Anpassungen im gesamten Managementsystem nach sich ziehen. Mit einer strukturierten Relevanzbewertung, der Einbindung interessierter Parteien und der gezielten Anpassung von Dokumentation und Prozessen schaffen Sie die Grundlage dafür, den Anforderungen des Amendments gerecht zu werden und Ihr QMS zukunftsfest aufzustellen.
Im nächsten Blogartikel zeigen wir Ihnen, wie diese Anforderungen konkret im Rahmen von internen und externen Audits geprüft werden können und worauf Auditoren künftig besonders achten sollten. So sind Sie umfassend vorbereitet – nicht nur auf formale Änderungen, sondern auf einen nachhaltigen Wandel im Qualitätsmanagement.
Bitte beachten Sie, dass die Umsetzung des neuen Amendments je nach Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen kann und stets individuell an die jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst werden sollte. Die aufgeführten Maßnahmen verstehen sich daher als beispielhafte Orientierung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Gerne unterstützen wir Sie bei der passgenauen Umsetzung in Ihrem Unternehmen.
Verfasserin dieses Blogartikels ist Nienke Bär, Bereich Integrierte Managementsysteme
Quellen:
ISO & IAF (2024): APG Auditing Climate Change issues FINAL 3-19-2024.pdf
DIN Media (2024): DIN EN ISO 9001/A1 - 2024-11 - DIN Media
DIN (2023): Mit Normen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Klimawandel trifft Managementsystem: So berücksichtigen Sie das neue Amendment der ISO 9001 und Co.